Rede zu einem besonderen Anlass, was vermag sie?

Jakob Kühn hat Reden zu Festtagen, Taufen, Trauungen oder Beerdigungen wissenschaftlich untersucht. (Foto: Universität Rostock/Julia Tetzke).

Die Kasualrede, also eine Rede zu einem besonderen Anlass.

„Es gilt, das Schwere nicht schön zu reden und dem Schönen Zeit und Raum zu geben, die und den es braucht“, sagt Jakob Kühn. Für die Trauung bedeute das, das Liebesglück zu feiern, damit man sich erinnern könne, was man sich bei der Hochzeit versprochen habe. „Auch wenn man im Laufe des Lebens ein anderer geworden ist, bleibt man noch derselbe“, unterstreicht der Vater zweier Kinder. In den kirchlichen Amtshandlungen (Kasualien) wird deutlich, wie und warum die Kirche das Zeitliche segnet. Das kommt in einem zentralen Ritual zum Ausdruck, vor allem aber in der Predigt, die deutet, was hier der Fall ist. Stärker als im Sonntagsgottesdienst, in dem sich die Predigt eingehend mit einem biblischen „Predigttext“ auseinandersetzt, steht bei den Kasualien eine ganz besondere Lebenslage im Vordergrund. Und die ist so komplex wie das Leben selbst. Deshalb sagt Jakob Kühn: „Kasualreden sind immer Unikate, sie sind einzigartig, wie das Leben des einzelnen selbst. In diesem Sinne sind Redner Zeitarbeiter und Wortmeister.“

Lange habe man darum versucht, das Predigtgeschehen am Beispiel einer einzelnen Kasualie zu reflektieren. Und so seien wissenschaftliche Analysen zur Traupredigt, zur Taufpredigt und zur Bestattungspredigt entstanden, hebt Professor Thomas Klie, der Doktorvater von Jakob Kühn, hervor. „Hier nun wird ein anderer Weg beschritten. Jakob Kühn fragt danach, was all diese Reden aus Anlass theoretisch verbindet. Dies setzt natürlich eine starke Abstraktion voraus. Aber genau auf dieser Theorieebene nimmt Jakob Kühn wichtige Unterscheidungen vor, die sich natürlich zunächst einmal wegweisend an die wissenschaftlich arbeitende Theologie richten. Doch die Praktische Theologie muss immer auch Auskunft geben können über die Relevanz für die kirchliche Praxis“, sagt Professor Klie. Und hier werfe die Theoriearbeit einen ganz neuen Blick auf die Zeitebene.  „Dies nötigt dazu, die Anwesenden – theologisch gesprochen – als Geschöpfe ernster zu nehmen als bislang, d.h. als Menschen, deren Leben sich einer göttlichen Verheißung verdankt. Verheißungen wollen erzählt werden und sie wollen dabei sinnvoll und zielgerichtet mit den Selbsterzählungen verwoben werden, sagt Professor Klie. Die Kasualie, genauer die Predigt, bringe diese beiden Erzählstränge auf den Punkt. Sie setze einen Fixpunkt, „der erinnert und weitererzählt werden kann. Zugespitzt: der Fall bekommt mit der Predigt einen Sinn.“

Und genau darum geht es Jakob Kühn. Zentral dabei sei, dass sich die Lebenszeit in der erzählenden Zeit zeigen könne. Was das für den Pastor bedeutet? „Die zeitliche Dimension der dargestellten Lebensgeschichte ist immer zu verknüpfen mit den zeitlichen Implikationen theologischer Deutungsangebote.“  „Eine gute Rede geht einen im Idealfall an“, sagt Jakob Kühn. Eine gute Rede bestehe nicht aus Versatzstücken, die gedankenlos zusammengefügt werden, sondern aus Worten, die für ganz bestimmte Menschen gesprochen werden. Es gehe darum, dass ein Anlass (Trauung, Beerdigung beispielsweise) zu einem intensiven Moment werde, an den man sich gerne erinnere.

Text: Wolfgang Thiel


Kontakt:
Jakob Kühn
Universität Rostock
jakob.kuehnuni-rostockde

 


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