Ringveranstaltung des Historischen Instituts im Sommersemester 2017

Am kommenden  Montag (24.04.2017)  beginnt die  Ringvorlesung „Auf dem Weg in eine neue (Un)Ordnung? Die Rostocker Geschichtswissenschaften zu aktuellen Umbrüchen und Krisen“ mit einem Vortrag von  Prof. Dr. Gunnar Seelentag zum Thema:
„Jenseits der Fakten: damnatio memoriae  und ‘Intentionale Geschichte’ in Rom

Datum: 24.04.2017
Zeit:     19 – bis 21 Uhr
Ort:       Hauptgebäude der Universität Rostock, Universitätsplatz 1, Raum 323

Zu den Kernaufgaben des Fachs Geschichte gehört die Analyse und Erklärung von Wandel; denn die historische Entwicklung steht nie still – aber sie wechselt, so scheint es, ihre Geschwindigkeit. Nehmen die Zeitgenossen grundlegende Wandlungsprozesse wahr, so reagieren sie darauf – mit Hoffnungen, mit dem Wunsch nach politischen Veränderungen bis hin zur Revolution, mit Kulturkritik, mit Angst und Abwehr oder auch mit Gewalt.

Zweifellos ist das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts in vielen Gesellschaften von der Wahrnehmung rapiden Wandels und grundlegenden Umbruchs geprägt, und dies auf vielen Feldern. Digitale Innovationen verändern unseren Alltag, unsere Kommunikationsformen und -bedürfnisse. Das Phänomen der Globalisierung hat unsere Wirtschaftsordnung wie unsere Wahrnehmung auf die Welt so stark umgestülpt, dass politische, wirtschaftliche und soziale Gegenbewegungen angeschwollen sind, die einen anderen langfristigen und scheinbar unaufhaltsamen Trend, den der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Liberalisierung, ins Stocken gebracht haben. Trotz weitreichender Vernetzung wird in vielen westlichen Ländern (andernorts ist das allerdings nichts Neues) eine Spaltung der Gesellschaft konstatiert. Nicht einmal mehr auf Fakten als Grundlage von Wissen und von Entscheidungen vermag man sich zu einigen; das Zeitalter der „Postfaktizität“ ist ausgerufen worden und „Populismus“ wird beklagt, Objektivität und Subjektivität verschwimmen. Politische Polarisierung ist auch auf die internationale Bühne zurückgekehrt, auf der nicht nur der Ton rauer geworden ist, sondern die Regeln  des  diplomatischen  und  völkerrechtlichen  Umgangs  überhaupt  in  Frage  gestellt werden. Nationalismen erfahren eine rasante Wiederbelebung, während inter- und supranationale Organisationen ihre Existenz verteidigen müssen. Langgehegte Selbstverständlichkeiten stehen plötzlich zur Disposition. Und schließlich werden im digitalen Zeitalter die Grenzen zwischen dem Privaten und dem Politischen in einer Weise eingerissen, deren Radikalität dann deutlich wird, wenn man die bundesdeutsche Diskussion um die Volkszählung in den 1980er-Jahren  mit  der  serienmäßigen  Preisgabe  persönlicher  Daten  in  den  sog.  Sozialen Netzwerken vergleicht oder wenn man aktuelle Korruptionsdebatten betrachtet.

Ob man in die Presse schaut, den Umgangston in Internetforen betrachtet, Kommunikations- stile von Politikern betrachtet – worüber sich fast alle Zeitgenossen zumindest in Europa einig sein dürften, ist, dass sie gerade eine fundamentale Krise erleben. Auch Historikerinnen und Historiker verfügen nicht über den Stein der Weisen, um die krisengeschüttelte westliche Welt wieder in ruhigere Bahnen zu führen. Aber sie können zu ihrer Erklärung beitragen, ihr Entstehen rekonstruieren und sie mit anderen, historischen Umbruchsphänomen und Gesellschaftsformen vergleichen, vielleicht auch ein Stück weit relativieren, denn Krisenerfahrungen stellen fast eine historische Konstante dar. Insoweit kann das Fach Geschichte tatsächlich Orientierung bieten, und in einem Punkt muss es auch leidenschaftlich Stellung beziehen: Faktizität ist Grundlage von Wissenschaft insoweit, als wissenschaftliche Forschung und Erkenntnis auf den Grundsätzen von Plausibilität und Nachprüfbarkeit beruhen muss – Postfaktizität ist für die Wissenschaft im Speziellen wie auch für Politik und Gesellschaft im Allgemeinen Gift.

Die nächsten Termine:
jeweils 19–21 Uhr im Universitätshauptgebäude, Raum 323

15.05.2017    Prof. Dr. Oliver Plessow
„Hat die historisch-politische Bildung versagt?“

22.05.2017    Prof. Dr. Marc von der Höh
„Die  Rückkehr  der  Verwandtschaft. Mediävistische  Perspektiven auf ein aktuelles Thema“

29.05.2017    Prof. Dr. Hillard von Thiessen
„Wertewandel und Auflösung von normativen Grenzen: Überlegungen zu aktuellen Umbrüchen aus der Sicht der Frühen Neuzeit“

12.06.2017    Prof. Dr. Ulrike von Hirschhausen
„Die Anarchie der Fakten. Information und Desinformation in der
Moderne“

26.06.2017    Prof. Dr. Hans-Uwe Lammel
„Von Hybris, Hybriden und cold facts“

10.07.2017    „Die Welt aus den Fugen“ (Podiumsdiskussion)
Prof. Dr. Stefan Creuzberger, Prof. Dr. Nikolaus Werz, Prof. Dr. Jörn
Dosch, PD Dr. Franz-Josef Meiers, PD Dr. Friedhelm B. Meyer zu
Natrup, Dr. Sabine Grabowski (Moderation)

Die Veranstaltung ist öffentlich. Der Eintritt ist frei.


Kontakt:
Universität Rostock
Prof. Dr. Stefan Creuzberger
Lehrstuhl für Zeitgeschichte
Leiter der Forschungs- und Dokumentationsstelle des
Landes zur Geschichte der Diktaturen in Deutschland
Historisches Institut
Tel.: + 49 (0) 381 498 2713
stefan.creuzbergeruni-rostockde
Homepage: http://www.geschichte.uni-rostock.de/index.php?id=249455__

 


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