Neue Gasmischanlage an der Universität Rostock: Forschungs-Motor wird auf Herz und Nieren getestet

Das Photo zeigt die zur Gasmischstrecke zugehörigen Lagertanks. Links der CO2-Tank und rechts der Flüssiggastank (Copyright: Universität Rostock/Holger Martens).
Am Ein-Zylinder Forschungsmotor untersucht Karsten Schleef die Dual-Fuel-Verbrennung unter Einsatz schwankender Gasqualitäten. Der Motor soll dabei zukünftig ein sich veränderndes Brenngas selbstständig erkennen und seinen Betrieb durch die in der Motorsteuerung hinterlegten Modelle und Regelalgorithmen immer emissions- und wirkungsgradoptimal fortsetzen (Copyright: Universität Rostock/Julia Tetzke).
Karsten Schleef bei der täglichen Inspektion der CO2-Regelstrecke, die der zielgenauen Zumischung in das Erdgas dient, bevor die Anlage in Betrieb genommen wird (Copyright: Universität Rostock/Holger Martens).

In der Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik (MSF) der Universität Rostock steht der größte Ein-Zylinder-Forschungsmotor an einer europäischen Universität. Er nimmt die zukünftigen verschärften Abgasnormen im Schiffsverkehr vorweg. Hintergrund: Der Umweltausschuss der Internationalen Seeschifffahrtorganisation (IMO) hat im April 2018 eine Strategie beschlossen, um die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 zu reduzieren.

Ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie wird die Einführung neuer Kraftstoffe und Antriebstechnologien sein. Die Branche setzt hier vor allem auf Flüssigerdgas (LNG). Deshalb müssen nicht nur Motoren effizienter, sondern auch CO2-ärmere und CO2-neutrale Kraftstoffe entwickelt werden. Darin besteht die Herausforderung für die Rostocker Forscher an den Lehrstühlen für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren sowie für Technische Thermodynamik (LTT). Um das große Ziel zu erreichen, ist die komplexe Versuchsanlage an der Uni Rostock nun um eine Gasmischstrecke erweitert worden. Die hat ihren Platz auf dem Technikhof des Lehrstuhls und besteht im Wesentlichen aus zwei Gastanks und einem Container, in dem die zur Zumischung notwendigen Regelstrecken und Armaturen untergebracht sind.

Dadurch können die Wissenschaftler nun Erdgasqualitäten nicht nur, wie bislang, messen, sondern auch ganz gezielt einstellen. „So können wir den Motor auf Herz und Nieren mit den unterschiedlichen Brenngasen testen“, sagt Karsten Schleef, Doktorand am Lehrstuhl. Er ist einer von drei jungen Forschern, die die neue Gasmischstrecke von der Leitwarte des Motorenprüfstandes aus bedienen. Die Anlage wurde mit Geldern des vom Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) geförderten Projektes „LEDF-Konzepte 2“ finanziert. Bei diesem Projekt geht es um die Erforschung des Dual-Fuel-Verbrennungsprozesses, der durch die gleichzeitige Kraftstoffverbrennung von Diesel und Erdgas charakterisiert ist. Mit Hilfe von Prüfstandversuchen in Verbindung mit modernsten 3D-Simulationsmethoden wollen die Forscher die komplizierten Zündprozesse entschlüsseln. Die Erkenntnisse sollen helfen, die Emissionen von Schiffsmotoren deutlich zu senken.

Weltweit gibt es nur sehr wenige Universitäten, die im Bereich Schiffsdieselmotoren und maritime Kraftstoffe nach Lösungen für den sogenannten Dual-Fuel-Betrieb mit Erdgas suchen. Die Universität Rostock spielt hier international ganz vorn mit.

Karsten Schleef, engagierter Forscher und Vater zweier Kinder, hat in Rostock Maschinenbau studiert, bei der Deutz AG in Köln seine Diplomarbeit zu Kaltstartversuchen von Industriemotoren geschrieben und dann für zwei Jahre berufliche Erfahrungen bei einem großen Ingenieurdienstleister in Aachen gesammelt. An der Universität Rostock forscht der junge Mann jetzt am Lehrstuhl von Professor Bert Buchholz daran, auch unter dem Einfluss schwankender Gasqualitäten einen hoch effizienten und emissionsarmen Motorbetrieb mit derselben Motorenkonfiguration zu ermöglichen. „Das bedeutet, dass Schiffe egal wo zuletzt das LNG, also verflüssigtes Erdgas gebunkert wurde, zukünftig immer mit dem kleinstmöglichen Verbrauch und der geringsten Emission unterwegs sein können. Genau deshalb ist diese neue Gasmischstrecke so wichtig für uns“, sagt Schleef. Mit ihr werde es möglich, Kohlendioxid und Flüssiggas dem Stadtgas beizumischen. Dadurch könne der Heizwert und die Klopfneigung des verwendeten Erdgases gezielt beeinflusst und weltweit auftretende Qualitäten originalgetreu nachgebildet werden. Durch die neue Anlage könne der Motor außerdem auch zu 100 Prozent mit Flüssiggas (LPG) betrieben werden.

Konkret untersuchen die Forscher in Rostock an ihrem Dual-Fuel-Forschungsmotor Möglichkeiten der gezielten Verbrennungsführung. Dabei kann eine Vielzahl von Parametern, wie beispielsweise Einspritzparameter oder Ventilsteuerzeiten, vorgegeben und deren Auswirkung auf Verbrauch und Emissionen erkundet werden. „Diese Vorarbeit ist wichtig, damit die Energiewende auch im maritimen Sektor vorangetrieben wird und zukünftig Motoren bei denen eine umweltschonende Energiewandlung sowohl flüssiger als auch gasförmiger Brennstoffe möglich wird, auf unseren Meeren unterwegs sind“, sagt Schleef. Sowohl der Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren als auch der Partner-Lehrstuhl für Technische Thermodynamik (LTT) von der Universität Rostock haben dieses Ziel ganz oben auf der Agenda. Gemeinsam mit den Industriepartnern Caterpillar, FVTR GmbH, Kolbenschmidt, Schaller Automation und Kompressorenbau Bannewitz GmbH arbeiten sie an Konzepten, die Motoren mehrstofffähig und sauberer zu machen.

Kontakt:
Dipl.-Ing. Karsten Schleef
Teamleiter Großmotoren
Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren
Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik (MSF)
Universität Rostock
Tel.: +49 381 498-9419
karsten.schleefuni-rostockde
https://www.lkv.uni-rostock.de

 


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