Halbleiter können sich wie Metalle und sogar wie Supraleiter verhalten, wenn sie richtig zugeschnitten sind

Die Computerrekonstruktion elektronenmikroskopischer Aufnahmen zeigt die Nanostrukturen aus Bleisulfid. Der linke gerade Streifen verhält sich wie ein Halbleiter und der rechte Zickzack-Nanodraht verhält sich wie ein Metall (Abbildung Universität Rostock / Christian Klinke).
Die Darstellung zeigt ein elektrisches Bauteil bestehend aus zwei Goldelektroden, die einen Nanodraht (rot) auf einem Siliziumchip (blau) kontaktieren. (Abbildung Universität Rostock / Christian Klinke).

Die elektronisch aktiven Materialien in Transistoren, integrierten Schaltkreisen, Sensoren und LEDs sind Halbleiter. Diese Kristalle, die hauptsächlich aus dotiertem Silizium bestehen, bilden die Grundlage der heutigen Elektronikindustrie. Metalle hingegen sind elektrische Leiter. Mit ihnen werden die aktiven elektronischen Komponenten verdrahtet.

Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Professor Christian Klinke von der Universität Rostock und der Swansea University in Großbritannien konnte nun zeigen, dass die Kristallstruktur an der Oberfläche von Halbleitermaterialien dazu führen kann, dass sie sich wie Metalle und bei niedrigen Temperaturen sogar wie Supraleiter verhalten, was bedeutet, dass die Elektronen sich mit deutlich geringerem Widerstand durch die Strukturen bewegen als dies bei Halbleitern der Fall wäre. Wie sie in ihrer jüngsten Veröffentlichung im Forschungsjournal „Advanced Functional Materials“ darstellen, ermöglicht die chemische Synthese von Bleisulfid-Nanodrähten die gezielte Ausbildung spezieller Kristalloberflächen. Die Art der Anordnung der Blei- und Schwefelatome auf den Facetten der Nanostrukturen bestimmt deren elektrische Eigenschaften. In den meisten Konfigurationen liegen beiden Arten von Atomen auf der Oberfläche gemischt vor und die gesamte Struktur zeigt erwartungsgemäß ein Halbleiterverhalten. Aber bei einem bestimmte „Schnitt“ durch den Kristall, in der Ebene, in der nur Bleiatome zu finden sind, verhalten sich die Strukturen wie ein Metall. Dies bedeutet, dass diese Nanodrähte viel höhere Ströme leiten können, ihr Transistorverhalten unterdrückt wird, sie nicht wie Halbleiter auf Beleuchtung mit höherer Leitfähigkeit reagieren und eine für Metalle typische Temperaturabhängigkeit aufweisen.

„Nachdem wir herausgefunden haben, dass wir Bleisulfid-Nanodrähte mit unterschiedlichen kristallinen Ebenen synthetisieren können, wodurch sie wie gerade oder Zickzack-Drähte aussehen, dachten wir, dass dies interessante Konsequenzen für ihre elektronischen Eigenschaften haben muss. Aber diese beiden Verhaltensweisen haben uns ziemlich überrascht“, sagt Dr. Mehdi Ramin von der Universität Hamburg. „Daher haben wir begonnen, die Konsequenzen der Form genauer zu untersuchen.“ Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich die Oberfläche der Nanostrukturen bei niedrigen Temperaturen sogar wie ein Supraleiter verhält und gar keinen elektrischen Widerstand aufweist. „Dieses Verhalten ist sehr erstaunlich und muss auf jeden Fall genauer untersucht werden. Die Ergebnisse ergeben jedoch bereits jetzt neue spannende Einblicke, wie dasselbe Material je nach seiner Struktur unterschiedliche grundlegende physikalische Eigenschaften besitzen kann. Verlustfreier Energietransport ist nur einer dieser Träume“, fügt Professor Christian Klinke hinzu. Durch weitere Optimierung und Übertragung des Prinzips auf andere Materialien können erhebliche Fortschritte erzielt werden, die zu neuen effizienteren elektronischen Geräten führen können. Die im Artikel vorgestellten Ergebnisse sind ein erster Schritt auf dem sicherlich fruchtbaren Weg zu einer neuen spannenden Chemie und Physik der Nanomaterialien.

Die Originalveröffentlichung ist unter  https://doi.org/10.1002/adfm.201910503 zu finden.

 

Kontakt
Prof. Dr. Christian Klinke
Institut für Physik
Universität Rostock
Telefon: +49 381 498-6860
christian.klinkeuni-rostockde


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