Die Dorsch-Versteher: Kooperation zwischen Rostocker Biologie- und Informatik-Forschern zum Leben der Dorsche

Maria Pierce
Maria Pierce und Dr. Uwe Krumme im Thünen-Institut für Ostseefischerei (Fotos: Uni Rostock/ITMZ)

„Bisher wurden Veränderungen von Dorschbeständen eher als Veränderungen von Fischkonzentrationen dargestellt“ erklärt die Projektleiterin aus der Informatik, Frau Prof. Uhrmacher. „Die Daten aus den Fängen der kommerziellen Fischerei und aus fischereiunabhängigen Forschungsreisen werden bisher in eine große Bilanzgleichung gesteckt, und diese ist dann die Basis für Fangquotenempfehlungen.“ In diesem Gleichungssystem konnten allerdings Randbedingungen wie die Entwicklung des Salz- und Sauerstoffgehalts in verschiedenen Tiefen und deren Auswirkungen auf Wachstum und Sterblichkeit der Dorsche bislang nicht berücksichtigt werden – und schon gar nicht das Verhalten individueller Dorsche.

Maria Pierce, Mitarbeiterin und Doktorandin im Projekt, ist Grenzgängerin zwischen den Wissenschaftsdisziplinen. Sie hat ein Bachelor-Studium Physik und ein Master-Studium Aquakultur abgeschlossen und ihre Masterarbeit mit Informatikmethoden am Lehrstuhl von Frau Prof. Uhrmacher verfasst.  Kern ihrer Masterarbeit waren die Auswirkungen von chronischem Sauerstoffmangel (Hypoxie) auf einzelne Dorsche. Pierce dazu: „Im bisherigen Modell werden zu wenige der relevanten Informationen erfasst.

Bisher galt: Gibt es genug Futter für den Dorsch, geht es ihm gut. Aber ein Dorsch kann nur verdauen, wenn er genug Sauerstoff in der richtigen Wassertiefe hat.“ Im aktuellen Forschungsprojekt soll nun der Dorsch mit seinem Laich-, Bewegungs- und Fressverhalten genauer modelliert werden. Danach können größere Gruppen von Dorschen im Computer simuliert werden – und in der Zukunft vielleicht sogar Aussagen für einzelne Bestände gemacht sowie die Bestandsentwicklung vorausberechnet werden. Ursächliche Zusammenhänge sind dabei dann wichtiger als rein statistische Zusammenhänge.

Die Rostocker Informatiker sind Experten für Individuen - basierte Modellierungsmethoden. Das heißt, dass nicht nur statistische Größen wie etwa Fischkonzentrationen erfasst und in Gleichungssysteme gepackt werden, sondern auch individuelle Dorsche werden in ihrem Verhalten und ihrer Interaktion mit der Umgebung modelliert und im Rechner nachgebildet.

So kann der Einfluss der Umweltbedingungen, unter denen die Dorsche in ihrem Lebensraum leben, besser abgebildet und simuliert werden. Dafür verwenden die Rostocker  Mehr-Ebenen-Modelle, in denen verschiedene Informationen kombiniert werden können. Die Rostocker Informatiker versuchen also, den Dorsch in seiner Umgebung -  der Ostsee - besser zu verstehen.

Das Wissen über den Dorsch und die Bedingungen in der Ostsee stammen von Biologen des Thünen-Instituts für Ostseefischerei, die dieses Kooperationsprojekt initiiert haben. Dr. Krumme, Projektleiter der Biologie-Seite und stellvertretender Direktor des Instituts, hofft: „Das Simulationssystem der Informatiker liefert uns einen Ansatz, mit dem wir die Zusammenhänge besser erforschen können. So können wir hoffentlich bald auch besser verstehen, wie die Dorsche in ihrem besonderem Lebensraum leben, und was sie dünn macht oder warum wir nur noch so wenige große Dorsche finden.“

Da im größten Brackwassergebiet der Erde, der Ostsee, oft im Trüben gefischt werden muss, erhoffen sich die Fischereiexperten aus diesen Simulationsansätzen, vielleicht sogar belastbare Vorhersagen für die Zukunft treffen zu können.

 

Hintergrundinformation:

Das Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock entwickelt Konzepte für eine nachhaltige, ökologisch verträgliche und wettbewerbsfähige Fischerei in der Ostsee. Unter anderem versuchen die Wissenschaftler, grundlegende Fragen zur Ökologie insbesondere der genutzten marinen Fische wie den Dorschen in der Ostsee zu beantworten, in enger Zusammenarbeit mit dem Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES). Neben der angewandten Forschung und dem Monitoring der Fischbestände in der Ostsee spielt vor allem die Beratung der Bundes- und Europa-Politik eine Hauptrolle. Das Thünen-Institut ist ein Bundesforschungsinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Entwicklung (BMEL).

Die Universität Rostock wurde 1419 gegründet. Sie ist die älteste Universität im Ostseeraum und die drittälteste Deutschlands. An neun Fakultäten werden für derzeit 14.000 Studierende 100 Studienrichtungen angeboten. Forschungsschwerpunkte sind u.a. Alternative Energien, Assistenzsysteme, Biomedizinische Technik, Laser-Optik, Lebenswissenschaften und Regenerative Medizin. In der Profillinie „Maritime Systeme“ wird ein interdisziplinärer Forschungsschwerpunkt betrieben, der beispielsweise meeresbiologische Forschung und Forschung im Bereich Informatik (Modellierung und Simulation) miteinander verknüpft.

Das Institut für Informatik der Universität befindet sich im neuen Konrad-Zuse-Haus in der Rostocker Südstadt. Derzeit forschen und lehren 15 Professorinnen und Professoren sowie etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (davon 50 aus Drittmitteln finanzierte) für etwa 500 Studentinnen und Studenten aus den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und Informationstechnik / Technische Informatik. Ein Forschungsschwerpunkt ist die Modellierung und Simulation von veränderlichen Systemen sowie die Vorhersage des Verhaltens des Gesamtsystems. Grundlagen für die Modellierung und Analyse können sehr große Datenbestände aus Sensornetzwerken sein (Big Data Analytics).

Kontakt:

Universität Rostock
Prof. Dr. Andreas Heuer
Leiter der Kommission Öffentlichkeitsarbeit am Institut für Informatik
Tel.: +49 381 498-7590
E-Mail:
andreas.heueruni-rostockde
Web: http://www.informatik.uni-rostock.de/journalisten

Universität Rostock
Prof. Dr. Adelinde Uhrmacher
Institut für Informatik
E-Mail: adelinde.uhrmacheruni-rostockde

 

Kontakt Dorschprojekt:

Thünen-Institut für Ostseefischerei
Dr. Uwe Krumme
Tel.: +49 381 8116-148
E-Mail: uwe.krummethuenende

Thünen-Institut für Ostseefischerei
Maria Pierce
Doktorandin am Institut für Informatik
E-Mail: maria.piercethuenende

 


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