Deutsche Forschungsgemeinschaft macht für Rostocker Nachwuchsforscher internationale Erfahrung möglich

Masterstudentin Johanna Busch bei der Vorbereitung der Messproben am Handschuhkasten. (Foto: privat).
Johanna Busch und Sebastian Fritsch forschen am ISIS in Großbritannien von Rostock aus. (Universität Rostock/Julia Tetzke).

In wenigen Wochen werden beide mit ihrer Promotionsarbeit beginnen. Dann wartet die nächste Herausforderung auf die Nachwuchswissenschaftler. Die für Anfang Oktober am ISIS in Großbritannien – eine Großforschungseinrichtung mit einer Neutronenquelle – bewilligte Messzeit für Neutronenstreuung wird im Rahmen eines Remote-Experiments realisiert. Ein Remote-Experiment ist ein Fernversuch. Das echte Experiment wird in England durchgeführt, aber von einem Rostocker Computer aus über das Internet gesteuert.
Auch bei diesem Vorhaben fordert Corona seinen Tribut. „Vor der Pandemie wären die beiden Master unterstützt durch Forscherin Dr. Anne Strate mit ihren Messproben nach England gefahren, um am ISIS selbst zu messen. Auf das Erlebnis eines Experiments an einer internationalen Großforschungseinrichtung mit Kontakten zu Wissenschaftlern aus der ganzen Welt muss das Trio vorerst  verzichten“, sagt Doktorvater Professor Ralf Ludwig aus der Physikalischen Chemie. Dafür gibt es ein Novum: ein ‚Remote-Experiment‘. Die in Rostock extra hergestellten chemischen Verbindungen werden gut präpariert, rechtzeitig nach England versandt und dort von den ISIS-Wissenschaftlern vermessen. Johanna Busch und Sebastian Fritsch geben dabei Anweisungen und steuern das Experiment aus ihrem Heimatlabor. „Da wir die Operatoren am ISIS durch Vor-Ort-Experimente und meinen Forschungsaufenthalt dort gut kennen, wird dies kein Problem“, ist sich Johanna Busch sicher. In einem viermonatigen Besuch am ISIS hat sich Johanna Busch bereits im letzten Jahr mit der Neutronenstreuung vertraut gemacht. Die Elementarteilchen werden in einer besonderen Neutronenquelle erzeugt und zur Strukturbestimmung an einer Flüssigkeit oder einem Festkörper gestreut. Zur Untersuchung der Geometrie von Wasserstoff-Brücken reicht die sonst übliche und in Rostock zur Verfügung stehende Röntgenbeugung nicht aus. Neben der Durchführung von Experimenten konnte Johanna Busch auch mithelfen, komplexe Auswerteprogramme zu entwickeln. Diese Arbeit ist in vollem Gange und wird durch die Molekulardynamischen Simulationen in der Arbeitsgruppe Ludwig unterstützt.
Die für ein Remote-Experiment erforderliche IT-Technik wird im Arbeitskreis Ludwig gerade aufgebaut. Erste Tests verliefen bereits erfolgreich. „Hoffentlich können wir die Experimente zukünftig wieder ‚vor Ort‘ durchführen und das internationale Flair am ISIS genießen“, sagt Sebastian Fritsch. „Zu einer erfolgreichen Promotion gehören nicht nur ein interessantes Thema und viel Arbeit, sondern auch der intensive Austausch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die manchmal mehr oder in jedem Fall anderes wissen“, sagt der international erfolgreiche Professor Ludwig.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat dem 59-jährigen Ludwig  aus der Physikalischen Chemie der Universität Rostock jüngst ein neues Projekt bewilligt. In dem Forschungsvorhaben soll der Einfluss von Wasserstoffbrücken für die Eigenschaften sogenannter Ionischer Flüssigkeiten untersucht werden. Diese schwachen, aber gerichteten Bindungen bestimmen auch die Struktur und Dynamik des Wassers, die Bildung von Sekundärstrukturelementen in Proteinen und von Basenpaaren in der DNA. „Diese Bewilligung hat uns sehr gefreut, zumal die Genese, Antragstellung und Durchführung des Projekts unter einem besonderen Stern stehen“, erläutert Ralf Ludwig. Der Forschungsantrag ist ein „Corona-Antrag“, der zu Beginn der Pandemie im April eingereicht und nur vier Monate später zur Förderung empfohlen wurde.
Text: Wolfgang Thiel

Kontakt:
Prof. Dr. Ralf Ludwig
Universität Rostock
Institut für Chemie
Tel.: +49 381 498-6517
Web: www.ludwig.chemie.uni-rostock.de


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