Dankbar und ein wenig Wehmut – Schließung des Harms-Wohnheims aufgrund baulicher Mängel

Das Wohnheim im Justus-von-Liebig-Weg 6a. Aufgrund baulicher Mängel muss es zum Ende des Jahres geräumt werden. Die Universität unterstützt alle Mieterinnen und Mieter bei der Wohnungssuche (Foto: Kirstin Werner/Universität Rostock).
Dr. Rosina Neumann betreut das Wohnheim seit vielen Jahren und unterstützt die Mietenden nun bei der Wohnungssuche (Foto: Kirstin Werner/Universität Rostock).
Einer der 47 Bewohnerinnen und Bewohner des Harms-Wohnheims ist Mina Abaskharon. Wenn er im November seine Doktorarbeit abgegeben hat, wird er sich auf Wohnungssuche begeben (Foto: Kirstin Werner/Universität Rostock).

Manche Freundschaften halten ein Leben lang. Andere Beziehungen begleiten uns nur auf einem bestimmten Abschnitt unseres Lebens – bis wir uns verabschieden und jeder wieder seiner eigenen Wege zieht. Und manchmal sind wir für Abschied noch nicht bereit – wenn beispielsweise jemand aus dem Leben scheidet. So kann das auch mit Häusern sein. Viele überdauern, aber es gibt auch jene, von denen wir uns verabschieden müssen, bevor wir dazu bereit sind.

So ein Haus steht im Justus-von-Liebig-Weg 6a. Errichtet im Jahre 1994, zu einer Zeit, als sowohl die Wohnungsnot Rostocker Studierender als auch der Wunsch nach einem Studium für einen Neuanfang in Mecklenburg-Vorpommern groß waren.


Gutes tun für Mecklenburg-Vorpommern

Friedrich Harms, 1916 im mecklenburgischen Grevesmühlen geboren, fühlte sich Zeit seines Lebens eng mit Mecklenburg-Vorpommern verbunden. Als Handelskaufmann leitete er nach dem 2. Weltkrieg in Herford in Nordrheinwestfalen erfolgreiche Unternehmen in der Saatenbranche. Dem Land Mecklenburg-Vorpommern wollte er nichtsdestotrotz nach der Wiedervereinigung Gutes tun – ja, wäre er nicht schon zu alt gewesen, hätte der Ehrensenator und Mäzen der Universität Rostock nach eigener Aussage nach der Wende seinen Zweitwohnsitz nach Mecklenburg-Vorpommern verlegt. Schließlich gründete er zur Förderung der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock im Jahr 1992 die Friedrich- und Irmgard Harms-Stiftung. Unter anderem ließ er 1998 in Dummerstorf eine Versuchsstation errichten, die heute Teil des Forschungsinstitutes für Nutztierbiologie (FBN) ist.

Auch das 1994 von Friedrich Harms erbaute Studierendenwohnheim mit 47 Wohneinheiten war in diesem Zusammenhang entstanden. Im Jahr 2004 ging das Wohnheim in den Besitz der Universität Rostock über und wurde seitdem vom Vorstand der Stiftung verwaltet. Seit 1999 bis heute fördert die Stiftung, unter anderem aus den Mieteinnahmen des Wohnheims, leistungsstarke fortgeschrittene Studierende sowie junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Phase ihrer Graduierung aus allen Fachgebieten der Universität.


Wohnraum flexibel und günstig

Üblicherweise werden die Rostocker Wohnheime vom Studierendenwerk Rostock-Wismar betrieben. „Im Gegensatz zum Studierendenwerk, wo die Mietverträge in der Regel für ein Jahr abgeschlossen werden, konnten wir hier flexibel und kurzfristig günstigen Wohnraum anbieten“, berichtet Dr. Rosina Neumann, die das Wohnheim als Geschäftsführerin der Stiftung verwaltet und ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Bewohnerinnen und Bewohnern pflegt. Vom Angebot des Harms-Wohnheims profitierten in den vergangen fast dreißig Jahren insbesondere Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler sowie ausländische Studierende und Promovierende, die für kürzere Forschungsaufenthalte, manchmal wenige Wochen, manchmal auch für ein oder zwei Semester an der Universität Rostock blieben. „Viele der derzeitigen Bewohnerinnen und Bewohner kommen aus Syrien, um die deutsche Sprache als Voraussetzung für die Facharztausbildung in Deutschland zu absolvieren“, berichtet PD Dr. Abdallah Nassour von der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät. Er ist Vorsitzender des Vereins Study in Germany, der im Jahr 2008 in Rostock gegründet wurde, um ausländische Bewerberinnen und Bewerber beim Studium in Rostock zu unterstützen.  
 

Am wichtigsten sind Mieterinnen und Mieter

An einem Freitag morgen im Oktober war die Entscheidung nach einer finalen Begehung des Gebäudes gefallen: Aufgrund des mangelhaften Bauzustandes könne das Wohnheim nicht länger betrieben werden und sei daher unverzüglich zu schließen.

Dr. Jan Tamm, Kanzler der Universität Rostock stellt fest: „Das Wohnheim hat hervorragend seinen Zweck erfüllt. Nicht nur Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten viele Jahre darin wohnen, sondern wir konnten mit den verhältnismäßig günstigen Mieteinnahmen auch Stipendien finanzieren. Das war eine klasse Sache! Nun ist das Wohnheim einfach abgewohnt, hat seinen Zweck erfüllt und wir müssen Abschied nehmen. Eine Sanierung wäre wirtschaftlich wie ein Neubau. Der Plan war von Anfang an, dass die Lebenszeit des Hauses begrenzt sein wird. Vielleicht finden sich ein oder mehrere Unterstützer der Universität, die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern etwas Gutes tun wollen, die Mittel bereitstellen und ein neues Wohnheim an derselben Stelle errichten wollen. Günstiger und flexibel nutzbarer Wohnraum in unmittelbarer Nähe zur Universität wird heute genauso wie in den 1990er Jahren benötigt.“

Der Freizug des Gebäudes soll spätestens zum Jahresende abgeschlossen sein. Dass das Wohnheim irgendwann geräumt werden muss, war allerdings schon länger bekannt. „Das Wichtigste für mich sind meine Mieterinnen und Mieter“, sagt Rosina Neumann. „Ich habe sie schon frühzeitig darüber informiert, dass wir den Wohnraum leider langfristig nicht mehr anbieten können. Insbesondere diejenigen, die erst in diesem Jahr eingezogen sind, wurden von vornherein darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie nicht länger als bis Ende des Jahres bleiben können“, berichtet sie. Nun unterstützt sie bei der Wohnungssuche so sehr sie nur kann und hilft Kontakte zu den Rostocker Wohnungsbaugenossenschaften und zum Studierendenwerk aufzubauen. Ein Teil der Mietenden zieht bereits zum November aus, der Rest dann bis Ende Dezember.

„Es ist schade, dass wir gehen müssen. Angesichts der angespannten Wohnsituation in Rostock wird die Wohnungssuche nicht einfach“, sagt Mina Abaskharon, der vor vier Jahren für seine Doktorarbeit aus Ägypten nach Rostock kam. Er promoviert am Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren der Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik und wird seine Doktorarbeit im November einreichen. Bis dahin kann er hier noch wohnen bleiben. Das Auszugsdatum mache natürlich zusätzlichen Druck, aber er sei zuversichtlich. Rosina Neumann hat ihm und den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern angeboten, zum Umzug Mobiliar und Haushaltsgegenstände aus dem Wohnheim mitzunehmen. Denn viel Geld haben die meisten der Mieterinnen und Mieter nicht.
 

Alles hat ein Ende, auch ein Haus

Rosina Neumann ist vor allem dankbar für die vielen Jahre und den guten Zweck, der mit dem Haus in Verbindung steht: „Das Wohnheim hat uns lange Jahre treu gedient. Es hat so viele Gäste, Studierende und andere Universitätsangehörige gesehen. Herr Harms hat uns damals dieses Geschenk gemacht. Ich habe es als meine Aufgabe verstanden, dieses Geschenk zu schätzen und verantwortungsvoll damit umzugehen“, resümiert sie. „Nun ist die Hauptsache für mich, dass es meinen Bewohnerinnen und Bewohnern gut geht und alle eine neue Unterkunft finden.“

Schließlich bleibt vor allem Dankbarkeit und auch ein wenig Wehmut. Denn so ist es nun mal: Alles hat ein Ende, auch ein Haus. Und dieses Haus hat 28 Jahre treue Dienste geleistet. Der Abriss des Wohnheims ist für 2023 geplant. Dann wird die Fläche, auf dem das Gebäude steht, zurück an das Land Mecklenburg-Vorpommern gegeben. Und wer weiß, ob sich nicht jemand findet, der hier Neues entstehen lässt.

Text: Kirstin Werner


Kontakt:
Dr. Kirstin Werner
Universität Rostock
Presse- und Kommunikationsstelle
Tel.: +49 381 498-1013
kirstin.werner@uni-rostock.de


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